Bestattungsmuseum auf dem Zentralfriedhof

In diesem Beitrag möchte ich euch in die Wiener Unterwelt bzw. in das Jenseits mitnehmen. Vielleicht könnt ihr euch schon denken, wohin die Reise geht – wir besuchen zwei der unzähligen Wiener Friedhöfe. Einige, die mich näher kennen, wissen ja um meine Vorliebe für den Friedhofsbesuch. Ich spreche jetzt nicht unbedingt vom Besuch einer Beerdigung, sondern von der Besichtigung alter Friedhöfe, die oftmals in wunderschöne Parkanlagen eingebettet sind und einen trotz der zentralen Lage den Trubel der Stadt vergessen lassen.

Biedermeierfriedhof Sankt Marx

In Wien zählt zu dieser Kategorie zweifelsohne der Sankt Marxer Friedhof im Süden der Stadt. Er ist sehr gut mit der Straßenbahn 71, Ausstieg am Rennweg, erreichbar und wirkt in unmittelbarer Nachbarschaft zu Schulen, Autohäusern und Bürogebäuden recht unscheinbar und auch ein wenig deplatziert. Da stellt sich natürlich auch die Frage, was zuerst da war, der Biedermeierfriedhof oder das Porsche-Autohaus.

Ich schreibe hier ganz bewusst Biedermeierfriedhof, weil der Sankt Marxer Friedhof der älteste Friedhof aus der gleichnamigen deutschen Kunst- und Kulturepoche ist und die Gebeine von Hunderten bedeutenden Persönlichkeiten dort begraben wurden. Am Eingang des Friedhofs befindet sich eine Tafel mit einem mehr oder weniger genauen Lageplan – wenn man Glück hat, stehen schon ein paar Leute vor dem gesuchten Grab.

Der Friedhof wurde zwischenzeitlich zu einer Parkanlage umgewidmet und über die Jahrzehnte hinweg hat die Natur das Areal wieder zurückerobert. Einzig und allein das Grabdenkmal zum Gedenken an Wolfgang Mozart ist ordentlich mit Steinen eingefasst, und der Grabstein glänzt, als hätte man ihn erst vor ein paar Jahren aufgestellt, was wahrscheinlich einzig und alleine dem engagierten Friedhofswärter zu verdanken ist. Der Musiker und Komponist wurde ursprünglich ohne großen Pomp mit ein paar anderen Wienern in einem allgemeinen Schachtgrab beigesetzt. Das heute zu sehende Grabdenkmal wurde erst viele Jahre nach Mozarts Tod und nur ungefähr an der ehemaligen Grabstelle errichtet. Trotz oder gerade wegen der ärmlichen Beerdigung hält sich bis heute noch hartnäckig die These vom verarmten Genius Mozart, welche jedoch nach aktuellen Erkenntnissen schlichtweg falsch ist.

Die Art und Weise des Begräbnisses war nämlich Ende des 18. Jahrhunderts durchaus gängige Beerdigungspraxis. Hier hatten auch wieder die in Wien allgegenwärtigen Habsburger ihre Finger im Spiel: Kaiser Joseph II. war die opulente und kostspielige Wiener Begräbniskultur ein Dorn im Auge, und er versuchte, mit einer neuen Begräbnisordnung dem Protz und Prunk bei den Beisetzungen einen Riegel vorzuschieben. In dieser Zeit durften die Leichen nicht einmal in Särgen beerdigt werden, und Grabsteine sowie Blumenschmuck waren in den 5er-Gräbern strengstens verboten. Die Särge wurden demnach nur für den Transport verwendet und danach recycelt, sprich einfach als Mehrweg-Sarg wiederverwendet – ein interessanter Gedanke, wie ich finde. Vor allem auch unter dem Aspekt, dass der Sarg einen aufklappbaren Boden hatte und man die Leiche so einfach ins Grab befördern konnte.

Heute ist das zum Glück nicht mehr so streng, und jeder kann nach seiner Fasson leben und sterben bzw. beerdigt werden. Die wohl lebendigsten Bewohner auf dem Sankt Marxer Friedhof sind übrigens die Bienenvölker, die wir unweit von Mozarts Grabdenkmal zwischen dem blühenden Flieder entdeckt haben. Ich denke, es gibt – aus der Sicht eines Bienchens – schlechtere Orte zum Leben.

Erkundung des Wiener Zentralfriedhofs

Verglichen mit dem Sankt Marxer Friedhof, auf den sich nur ein paar Besucher und noch weniger Touristen verirren, ist der Trubel auf dem Zentralfriedhof schon um einiges größer. Hier gibt es neben den Aussegnungshallen, verschiedene Empfangsräumlichkeiten mit Büros, einem kleinen Café auch ein sehr interessantes Bestattungsmuseum. Die Wiener schrecken halt auch vor nichts zurück – ich glaube, es wäre undenkbar, auf dem Ulmer Friedhof ein Museum samt Café zu etablieren. Also, wenn ihr von der vielen Herumlauferei geschwächt sein solltet, steht einer kleinen Kaffeepause am Tor 2 des Friedhofs nichts im Wege.

Der Zentralfriedhof ist ebenfalls mit der Straßenbahn 71 erreichbar, wobei ich euch hier die Kombination mit der U3 bis zum U-Bahnhof Simmering empfehle. Von einem Fußmarsch ab der Innenstadt würde ich abraten, do plogs di o und brennst di aus. Auch würde ich euch das Tor 2 als zentralen Startpunkt für eine Exkursion auf dem Friedhof empfehlen, für dessen Besuch ihr etwa 2 bis 3 Stunden einzuplanen solltet. Wenn ihr Lust habt könnt ihr auch Fahrräder leihen und die Stadt in der Stadt mit einer Fläche von 2,5 km² und den rund 330.000 Grabstellen auf dem Zweirad erkunden. Für ein paar Euros könnt ihr, fast wie in den USA, auch mit dem Auto über den Friedhof cruisen.

Vor dem Tor 2 des Wiener Zentralfriedhofs

Das bereits erwähnte Bestattungsmuseum am Wiener Zentralfriedhof befindet sich ebenfalls unweit des Tores und kann eigentlich nicht verfehlt werden. Es beschreibt interaktiv und sehr kurzweilig, wie sich das Wiener Bestattungsgewerbe in den letzten Jahrhunderten gewandelt hat und was in den einzelnen Jahrzehnten angesagt war. Dass man mit Begräbnissen viel Geld machen kann, ist ja keine Erfindung des 21. Jahrhunderts, und in der Trauer sind die meisten Menschen noch leichter dazu zu bringen, teils horrende Geldsummen auszugeben. Das wurde gerade in Wien durch die Zentralisierung der Bestattungsunternehmen und der Friedhöfe versucht einzudämmen. Nicht immer zur Freude der Angehörigen, die man ja eigentlich von Wucher und einer möglichen Abzocke bewahren wollte.

Denn die Beerdigung war und ist doch ein Art Event und musste so mindestens den Status des Verstorbenen zu Lebzeiten widerspiegeln. Andererseits gab es Anfang des 20. Jahrhunderts auch Beschwerden von Anwohnern der Simmeringer Hauptstraße, denen die endlose Anzahl von Leichentransporten und Kondukten zum Friedhof gehörig aufs Gemüt geschlagen hatte. Die im Winter im Schnee feststeckenden Pferdekutschen haben natürlich nicht zur allgemeinen Beruhigung der Lage (sprich des Verkehrs und der tobenden Anwohner) beigetragen. Auch an Allerseelen hatte das Treiben, frei nach dem Motto Bist du noch auf dem Friedhof oder besuchst du schon den Würstchen Prater?, eher den Charakter eines Jahrmarktes. Die Lage hat sich erst nach dem 1. Weltkrieg etwas entspannt, als für den Leichentransport speziell ausgebaute Straßenbahnwagen benutzt wurden und der Trauerzug nur noch innerhalb der Friedhofsmauern, sprich auf den letzten Metern zum Grab hin, gebildet wurde.

Im Museum kann man sich ein paar interessante Filme über die Beerdigungen der Habsburger Kaiser anschauen und bekommt u.a auch einen historischen Abriss über die Entwicklung der Leichenwägen von der Kutsche zum E-Mercedes. Es können teils kuriose Traueranzeigen aus verschiedenen Epochen und Relikte wie ein Herzstichmesser bewundert werden. Bei dem Ausspruch a schöne Leich geht es dem Wiener übrigens nicht um das Aussehen der Leiche sondern um die pompöse Beerdigung.

Ich denke, dass sich mit der jungen Generation der Wiener auch wieder ein Wandel vollziehen wird und die Aussage die Wiener laufen gern hinter Särgen her und säumen den Weg großer Trauerzüge zwischenzeitlich schon wieder veraltet ist. Heutzutage hat sich die Einstellung zum repräsentativen Grab und auch zur Grabpflege doch gewandelt und man überlegt es sich doch genauer, ob eine 15 Jahre dauernde Grabpflege unbedingt nötig ist, nur weil die Nachbarn schlecht über eine reden könnten.

Aber zurück zu den Lebenden und den Friedhofsbesuch. Am besagten Tor 2 findet ihr auch die Übersichtstafel mit den Ehrengräbern und Grabstätten bekannter Personen. Wie bereits erwähnt wurden viele Persönlichkeiten im Rahmen der Zentralisierung auch von anderen Friedhöfen auf den Zentralfriedhof umgebettet. Und natürlich wurden Udo Jürgens und Falco auf dem Zentralfriedhof beigesetzt, um nur zwei zeitgenössische öffentliche Personen, die weit über die Landesgrenzen Österreichs hinaus bekannt sind, zu nennen.

Diese Gräber sind natürlich ein Touristenmagnet und mit ihren extravagant Grabsteinen ein echter Hingucker: Udo Jürgens Grabstein stellt einen Flügel dar und wurde von seinem Bruder, Manfred Bockelmann, gestaltet. Die Ehrengräber sind allesamt in Gruppen gegliedert und die folgende Tabelle enthält eine kurze Aufstellung der (vielleicht) für die Allgemeinheit interessanten Gräber:

Name des VerstorbenenGruppe / Grabplatz 
Udo Jürgens33G / 85
Falco (Hans Hölzel)40 / 64
Franz Schubert32A / 28
Ludwig van Beethoven32A / 29
Wolfgang Amadeus Mozart32A / 55
Theo Lingen32C / 46
Curd Jürgens32C / 54

Der Friedhof ist, wie viele anderen Friedhöfe auch, in Sektionen eingeteilt und ich würde sagen, dass fast jede Religionsgemeinschaft mit einer solchen vertreten ist. So sind in einem Teil des Friedhofes ausschließlich Sinti und Roma begraben und in einem anderen Teil Menschen die dem mormonischem Glauben angehören. Ich finde es bei der Erkundungstour über das Gelände sehr interessant, wie sich die Gestaltung der Gräber und somit auch das Verständnis für den Tod unterscheiden.

Die Friedhofskirche zum Heiligen Karl Borromäus ist das zentrale Gebäude auf dem Friedhof und nicht so einfach zu übersehen. Ein Tipp meinerseits: wenn ihr die Kuppe der Kirche als Orientierungshilfe verwendet findet ihr leichter zurück zum Ausgang.

Auch die NS-Vergangenheit wird auf dem Friedhof aufgearbeitet. In der Gruppe 40 liegen neben bekannteren und unbekannteren Menschen aus dem Showbiz auch die während der NS-Zeit hingerichteten Widerstandskämpfer in anonymen Gräbern beerdigt. Ich finde die Platzwahl ja generell ein wenig kurios und befremdlich, aber nun gut vielleicht gab es ja keinen anderen Platz für Falco, der ja auch in Gruppe 40 begraben ist. Auch den österreichischen NS-Opfern aus den Konzentrationslagern wird im selben Gräberfeld gedacht. Bei unseren Nachbarn hat das Gedenken an die Opfer zeitlich gesehen recht spät eingesetzt. Natürlich ist es nicht leicht und angenehm, sich mit den dunklen Seiten der eigenen Geschichte zu beschäftigen. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass auf den Gedenktafeln auf das Wort Deutsche verzichtet und hier lediglich von Opfern des Faschismus gesprochen wird.

Wiener Zentralfriedhof

Simmeringer Hauptstraße 234
1110 Wien (Österreich)

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