Etappen 32 bis 34 – Nach unserem Besuch bei den Römern in Vaison-la-Romaine bleiben wir noch ein wenig in Südfrankreich, fahren aber weiter in Richtung Heimat. Ja ihr lest richtig, unsere Elternzeit-Auszeit neigt sich leider langsam, aber sicher dem Ende zu. Unser nächstes Ziel wird also das 130 Kilometer entfernte Tournon-sur-Rhône sein. Dort wollen wir auch wieder ein wenig Radfahrer bzw. eine Radtour auf der Via Rhôna, dem Rhône-Fernradweg unternehmen.
Zuerst genießen wir aber die Fahrt durch Weinberge und Lavendelfelder. Um die beeindruckende blaue Blüte miterleben zu können muss man die Gegend jedoch Ende Juli bzw. Anfang August besuchen, was uns im Voraus durchaus klar war 😉 . Dafür waren wir pünktlich zur Weinlese unterwegs und in fast jedem Feld ist eine der seltsam anmutenden Erntemaschinen durch bzw. über die Rebstöcke gefahren. Fährt man durch das sanft hügelige Anbaugebiet der Côtes du Rhône trifft man auch auf den ein oder anderen bekannten Markennamen aus dem Weinregal. Der hier angebaute Wein ist durch die kontrollierte Herkunftsbezeichnung AOC geschützt, was soviel heißt wie, dass nur Weinbauern in einem bestimmten Gebiet – hier das Rhônetal – ihren Wein so bezeichnen dürfen.
Ich hatte uns als Etappenziel einen Campingplatz in Tournon-sur-Rhône, nördlich von Valence und knapp 100 Kilometer südlich von Lyon ausgesucht. Ursprünglich wollten wir in der Nähe von Montélimar nochmals einen Stopp einlegen. Das ist übrigens auch der Ort aus dem der über die Landesgrenzen hinaus bekannte und sehr leckere weiße Nougat herkommt. Ich bin aber aufgrund der sehr schlechten Bewertungen der Camping- und Wohnmobilstellplätzen davon abgekommen und wir haben auf dem Weg nach Tournon lediglich die Cité Blanche Lafarge besucht.
Ein paar persönliche Gedanken
Meine folgenden Gedanken kann der ein oder andere jetzt falsch verstehen oder auch falsch verstehen wollen, aber ich möchte es ansprechen, weil es unter „Wohnmobilisten“ immer wieder ein großes Thema ist und ich finde man sollte den Aspekt nicht unter den Teppich kehren, auch wenn er politisch korrekt eher schwierig zu formulieren ist. Es geht darum, dass vor allem im Süden Frankreichs einige Stellplätze in den Sommermonaten gerne von Sinti und Roma und anderem fahrenden Volk als Übernachtungsplätze genutzt werden. Für Wohnmobilisten wie uns ist es im Vorfeld oft nicht ersichtlich, ob es sich um einen „klassischen“ Stellplatz oder um einen dieser Übernachtungsplätze handelt, vor allem wenn der Platz bei der frühen Ankunft noch leer ist.
Ich möchte mich hier auch ganz klar von irgendwelchen abwertenden und rassistischen Meinungen distanzieren, denn ich habe absolut nichts gegen besagte Personen. Doch meiner Ansicht nach prallen hier doch einfach zwei verschiedene Lebensmodell und auch Lebenswelten aufeinander und ich persönlich möchte einem möglichen Konflikt von vornherein aus dem Weg gehen. Daher nehme ich auch Bewertungen in der Stellplatz-App, die gehäuft auf nächtliche Ruhestörungen und Demolierungen an Wohnmobilen auf bestimmten Plätzen in diesem Zusammenhang hinweisen sehr ernst. Zudem sind wir jetzt nicht mehr nur für uns selbst verantwortlich, sondern für den kleinen Henry mit und ich möchte mich im Urlaub auch nicht im Zusammenhang mit solchen Geschichten mit der örtlichen Polizei auseinandersetzten.
Seht das also einfach als Hinweis, dass in der Region zwischen Mittelfrankreich und Mittelmeer auf den Hauptrouten häufig mit solchen Situationen zu rechnen ist (mehr als am Mittelmeer selber) und verlasst euch auf die Schwarmintelligenz der Kommentare bei der Auswahl der Stellplätze oder steuert eben einen überwachten Campingplatz an. Natürlich kann alles auch gutgehen und sich als Geheimtipp entpuppen – dann lasst andere an eurer Erfahrung teilhaben! Schlechte Erfahrungsberichte werden eben auch eher geschrieben als Empfehlungen.
Lost Place – Cité Blanche Lafarge
Die ehemalige Arbeitersiedlung Cité Blanche des Zementkonzernes Lafrage ist an der Straße von Viviers her kommend nicht ausgeschildert und nur per Eintrag auf Google Maps zu finden. Ich bin um ehrlich zu sein auch nur durch Zufall bei der Recherche nach Campingplätzen entlang der Rhône auf diesen, wie man es jetzt Neudeutsch nennt, „Lost Place“ gestoßen.
Wer uns persönlich kennt, kann sich den folgenden Dialog mit meinem Mann, der natürlich auch um meine Vorliebe für solche verlassene Orte weiß und sie auch mit mir teilt, sicherlich gut vorstellen:
„Wie lange fahren wir jetzt noch bis zur Cité Blanche?“ (Florian) – Wir haben gerade die Landstraße verlassen und sind in eine schmale, geteerte Auffahrt rechter Hand gefahren.
„Kommen wir da hin mit dem Womo?“ (Florian)
„Ja, ja das wir schon gehen, schau die Straße ist ja schmal, aber geteert.“ (ich) – Die Straße ist genau so breit wie das Wohnmobil und es gib keine Ausweichbucht.
„Es sind keine zwei Kilometer, wobei ich nicht weiß, ob die Zufahrt zur ehemalige Arbeitersiedlung gesperrt ist und wo wir parken können. Aber jetzt fahren wir einfach mal hin…“ (ich) – Florian runzelt die Stirn und fährt langsam durch zwei Schlaglöcher und weicht dabei einem überhängenden Ast aus.
….
Wie ihr auf den folgenden Fotos sehen könnt, konnten wir unser Wohnmobil sicher am Wegrand parken und somit diesen besonderen historischen Ort besuchen. Die ehemaligen Arbeitersiedlung des Zementkonzernes Lafarge wurde im Jahr 1880 errichtet und war damals als kleine Stadt bzw. Werksviertel neben dem Zementwerk die Heimat von bis zu 450 Menschen. Ich finde Orte, an denen das Leben mal pulsiert hat und die jetzt verlassen daliegen strahlen immer eine besondere, morbide Atmosphäre aus und ich gebe zu, dass ich mich auch immer ein wenig ertappt fühle, wie wenn ich ungefragt in einem „fremden“ Leben herumstochern und hinter den blinden Fensterscheiben ein Gesicht erscheinen würde, das herunterruft und mich zurechtweist, was ich den hier zu suchen habe.
Denn heute ist von den lachenden Kindern auf der Straße, den rauchenden Männern im ehemaligen Café Cercle Saint-Léon und den sonntäglichen Kirchgängern fast nichts mehr zu erahnen und auch das Bushaltestellenschild an einer der Platanen wurde schon von der Natur zurückerobert. An den Bahngleisen wuchern meterhohe Feigenbäume und der Geruch der baufälligen Ruinen, die teils mit Bauzäunen gesichert oder deren Eingänge zugemauert sind, vermischt sich mit den Gerüchen des südfranzösischen Spätsommers.
Die Arbeit bei der Firma Lafarge, welche übrigens im Jahr 2015 vom Schweizer Konkurrenten Holcim aufgekauft wurde, war einerseits wegen der gebotenen Benefits für die Arbeiterschaft heiß begehrt. Andererseits aber auch brandgefährlich, denn im Kalk-Tagebau kam es immer wieder zu tödlichen Unfällen und der Kalkstaube schädigte die Lunge der Arbeiter. Zu den Benefits gehört schon Anfang des 20. Jahrhunderts eine eigene Rentenversicherung und die Zuteilung eines Stück Gartens, sowie die Möglichkeit Jungen und Mädchen in die werkseigene Schule schicken zu können.
In den frühen 1970er-Jahren begann dann der Niedergang der Cité Blanche, den die Arbeiter zogen fort und konnten sich jetzt auch ein eigenes Häuschen fernab dem Werksgelände leisten. Dazu kam, dass der französische Sozialstaat über die Jahrzehnte immer mehr ausgebaut wurde und man als Arbeiter nicht mehr auf das alleinige Wohl der Patriarchenfamilie angewiesen war. Was heute aus dem Ort wird ist ungewiss und ich Blicke mit einer gewissen Melancholie zurück, wenn ich einmal in den Nachrichten lesen werde, dass die Cité Blanche abgerissen wurde.
Tournon-sur-Rhône und Tain-l’Hermitage
Unter Etappenziel Tournon-sur-Rhône liegt zwischen Weinbergen und ist eine geschäftige Kleinstadt mit einem großen Schulzentrum, einer Anlegestelle für die Flusskreuzfahrtschiffe und einer kleinen, aber feinen Altstadt mit einem wunderbaren Wochenmarkt in und um die überdachte Markthalle.
Die wichtigste Attraktion ist aber die Museumseisenbahn Train de l’Ardèche (www.trainardeche.fr), der von Tournon aus durch die eindrucksvolle Gorges du Doux fährt. Leider ist der Zug in der Nachsaison nur noch an den Wochenenden unterwegs und so kann ich euch nicht auf eine Dampflokfahrt entlang der Ardèche und durch wilde Felsenlandschaften mitnehmen. Der Bahnhof befindet sich dabei ein paar Kilometer außerhalb der Stadt.
Es lohnt sich auch ein Spaziergang durch das benachbarte, etwas verschlafenere Tain-l’Hermitage, welches von Weinbergen umrahmt mit seinem Kirchlein am Flussufer eine perfekte Fotokulisse, wie ihr auf dem Titelfoto des Beitrages sehen könnt, bildet. Man erreicht dabei bequem über eine imposante Fußgänger-Hängebrücke das andere Flussufer.
Dadurch, dass es nur ein paar Minuten vom Campingplatz in die Stadt waren sind wir, wie schon in La Grande-Motte, wieder in den Genuss von frischen Croissants gekommen und waren nach langer Zeit mal wieder ganz entspannt und original französisch 😉 in einer Pizzeria essen gewesen. Ich muss sagen, dass wir ja schon vor Henrys Geburt nicht oft essen gegangen sind, es aber mal wieder toll war am Abend draußen auf der Restaurantterrasse zu Sitzen und das geschäftige Treiben rund um den Marktplatz und in den anderen Bistros und Restaurants zu beobachten.
Radtour entlang der Via Rhôna
Unserer Radtour am nächsten Tag hat uns auf dem Fernradweges Via Rhôna (de.viarhona.com) von Tournon-sur-Rhône in das knapp 20 Kilometer entfernte Valence geführt. Die Via Rhôna führt auf 815 Kilometern vom Genfer See bis zu den französischen Mittelmeerstränden. D.h. wir hätten auch nach La Grande-Motte mit dem Drahtesel fahren können 😉 .
Der Radweg ist gut ausgeschildert und führt auf Großteils asphaltierten Wegen bzw. um Valence herum entlang der Straße oder auf dem Radstreifen, wobei letztes die französischen Autofahrer noch weniger interessiert wie hier bei uns in Deutschland. Dabei wir der Weinbau immer mehr von Obstplantagen entlang dem Fluss abgelöst und auf der Rhône sind neben den Kreuzfahrtschiffen auch vermehrt Binnenschiffe unterwegs. Immer wieder kommt man an Auen mit Bänken, die zur Verweile einladen vorbei. Die Stadt Valence wird auch als „Tor zur Provence“ bezeichnet und ist wirtschaftliches und verwaltungstechnisches Zentrum der Region mit einem großen Umschlagplatz für Agrarprodukte und einer geschäftigen, typisch französischen Innenstadt mit eleganten, herrschaftlichen Häuserzügen.
Mir haben es dabei, wie könnte es anders sein, die schönen, teils aufwändig mit Statuen verzierten Jugendstilfassaden angetan. Leider sind wir in Anbetracht dessen, das wir am Vormittag nicht ganz so zeitig losgekommen sind auch nicht lange in Valence geblieben und haben nach einem leckeren armenischen Mittagssnack die Rückfahrt nach Tournon angetreten.
Übernachtung
Übernachtet haben wir, wie schon erwähnt, auf dem „Camping Le Rhone“ in Tournon-sur-Rhône. Dieser liegt direkt an der Mündung der Doux in die Rhône. Auch hier war, wie zuvor schon in Vaison-la-Romaine, etwas Glück im Spiel, denn der Platz war bereits am frühen Nachnachmittag komplett ausgebucht.
Es gibt im Ort noch ein paar weiter Campingplätzte, wobei diese nicht in Laufweite zur Innenstadt liegen. Im benachbarten Tain-l’Hermitage kann auf dem Camping Municipal auch direkt am Rhôneufer übernachtet und auch reserviert werden. In der Hauptsaison sollte man dies auf jeden Fall wahrnehmen oder bereits am frühen Vormittag anreisen, ansonsten hat man schlechte Karte einen schönen Platz mit Blick auf das Wasser zu erhalten. Unser Campingplatz hatte übrigens vor kurzem den Besitzer gewechselt und wurde komplett saniert, d.h.die Sanitäranlagen waren super modern und sehr, sehr sauber.
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