Blick auf Tain-l'Hermitage

In diesem Beitrag lade ich euch ein, mit mir das Rhônetal zu erkunden, einen faszinierenden Lost Place zu besuchen und entlang der Via Rhôna, dem Rhône-Fernradweg, eine Auszeit im Sattel zu erleben. Dabei entdecken wir die Städte Valence, Tain-l’Hermitage und Tournon-sur-Rhône, die jede für sich ihren ganz eigenen Charme und besondere Highlights zu bieten haben.

Unsere Reise führt uns somit auch durch das sanft hügelige Anbaugebiet der Côtes du Rhône, das für seine erstklassigen Weine bekannt ist. Hier begegnet man immer wieder bekannten Namen aus dem Weinregal, denn die Region genießt einen hervorragenden Ruf unter Weinliebhabern und auch ich trinke gerne ein Tröpfchen Roten aus der Region. Der Wein aus diesem Gebiet trägt übrigens die kontrollierte Herkunftsbezeichnung Appellation d’Origine Contrôlée (AOC), die sicherstellt, dass nur Winzer aus dem definierten Gebiet – in diesem Fall dem Rhônetal – ihre Weine so nennen dürfen.

Schifffahrt auf der Rhône

Unsere Reise führte uns mit dem Wohnmobil aus Südfrankreich ins Rhônetal, wo wir Tournon-sur-Rhône als Etappenziel wählten. Die charmante Stadt liegt nördlich von Valence und etwa 100 Kilometer südlich von Lyon. Ursprünglich hatten wir geplant, in der Nähe von Montélimar einen weiteren Stopp einzulegen – der Heimat des berühmten weißen Nougats. Aufgrund der schlechten Bewertungen der dortigen Camping- und Wohnmobilstellplätze entschieden wir uns jedoch dagegen.

Ein paar persönliche Gedanken

Meine folgenden Gedanken kann der ein oder andere jetzt falsch verstehen oder auch falsch verstehen wollen, aber ich möchte es ansprechen, weil es unter „Wohnmobilisten“ immer wieder ein großes Thema ist und ich finde man sollte den Aspekt nicht unter den Teppich kehren, auch wenn er politisch korrekt eher schwierig zu formulieren ist. Es geht darum, dass vor allem im Süden Frankreichs einige Stellplätze in den Sommermonaten gerne von Sinti und Roma und anderem fahrenden Volk als Übernachtungsplätze genutzt werden. Für Wohnmobilisten wie uns ist es im Vorfeld oft nicht ersichtlich, ob es sich um einen „klassischen“ Stellplatz oder um einen dieser Übernachtungsplätze handelt, vor allem wenn der Platz bei der frühen Ankunft noch leer ist.

Ich möchte mich hier auch ganz klar von irgendwelchen abwertenden und rassistischen Meinungen distanzieren, denn ich habe absolut nichts gegen besagte Personen. Doch meiner Ansicht nach prallen hier doch einfach zwei verschiedene Lebensmodell und auch Lebenswelten aufeinander und ich persönlich möchte einem möglichen Konflikt von vornherein aus dem Weg gehen. Daher nehme ich auch Bewertungen in der Stellplatz-App, die gehäuft auf nächtliche Ruhestörungen und Demolierungen an Wohnmobilen auf bestimmten Plätzen in diesem Zusammenhang hinweisen sehr ernst. Zudem sind wir jetzt nicht mehr nur für uns selbst verantwortlich, sondern für den kleinen Henry mit und ich möchte mich im Urlaub auch nicht im Zusammenhang mit solchen Geschichten mit der örtlichen Polizei auseinandersetzten.

Seht das also einfach als Hinweis, dass in der Region zwischen Mittelfrankreich und Mittelmeer auf den Hauptrouten häufig mit solchen Situationen zu rechnen ist (mehr als am Mittelmeer selber) und verlasst euch auf die Schwarmintelligenz der Kommentare bei der Auswahl der Stellplätze oder steuert eben einen überwachten Campingplatz an. Natürlich kann alles auch gutgehen und sich als Geheimtipp entpuppen – dann lasst andere an eurer Erfahrung teilhaben! Schlechte Erfahrungsberichte werden eben auch eher geschrieben als Empfehlungen.

Lost Place – Cité Blanche Lafarge

Auf unserem Weg nach Tournon-sur-Rhône haben wir einen kurzen Zwischenstopp in der ehemalige Arbeitersiedlung Cité Blanche des Zementkonzerns Lafarge eingelegt. Diese ist von der Straße aus Richtung Viviers kommend nicht ausgeschildert und lediglich über einen Eintrag bei Google Maps auffindbar. Tatsächlich bin ich auch nur durch Zufall auf diesen sogenannten Lost Place gestoßen, als ich nach Campingplätzen entlang der Rhône recherchierte.

Lost Place – Cité Blanche

Wie auf den Fotos zu sehen ist, konnten wir nach einer abenteuerlichen Fahrt auf der teils zugewachsenen Zufahrtsstraße unser Wohnmobil sicher am Wegrand parken. Die ehemalige Arbeitersiedlung des Zementkonzerns Lafarge, errichtet im Jahr 1880, diente einst als kleine Stadt oder Werksviertel neben dem Zementwerk und bot bis zu 450 Menschen ein Zuhause. Die Arbeit in der Zementproduktion war damals äußerst begehrt, vor allem wegen der zahlreichen sozialen Vorteile. Solche Orte, die einst vor Leben pulsierten und nun verlassen daliegen, üben auf mich eine besondere, morbide Faszination aus. Dabei beschleicht mich oft das Gefühl, als würde ich in ein fremdes Leben eindringen – fast so, als könnte hinter einer der blinden Fensterscheiben plötzlich ein Gesicht auftauchen und mich zurechtweisen.

Heute erinnert kaum noch etwas an die lebendige Gemeinschaft, die einst die Straßen der Cité Blanche erfüllte. Die lachenden Kinder, die rauchenden Männer im Café Cercle Saint-Léon und die sonntäglichen Kirchgänger sind verschwunden. Selbst das Bushaltestellenschild an einer der Platanen wurde von der Natur überwuchert und ist kaum noch sichtbar. Entlang der Bahngleise wuchern meterhohe Feigenbäume, und der Duft der baufälligen Ruinen – teils mit Bauzäunen gesichert oder mit zugemauerten Eingängen – vermischt sich mit den typischen Gerüchen des südfranzösischen Spätsommers. Die einst pulsierende Siedlung ist heute ein Ort des Verfalls, an dem die Natur langsam aber stetig die Oberhand gewinnt.

Die Arbeit bei der Firma Lafarge, die 2015 vom Schweizer Konkurrenten Holcim übernommen wurde, war aus zwei Gründen begehrt und zugleich riskant. Einerseits lockten attraktive soziale Vorteile: Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts bot das Unternehmen eine eigene Rentenversicherung, die Zuteilung von Gärten für die Arbeiterfamilien sowie die Möglichkeit, Jungen und Mädchen in die werkseigene Schule zu schicken. Diese Maßnahmen sollten nicht nur das Wohl der Arbeiter fördern, sondern auch ihre Bindung an das Unternehmen stärken.

Andererseits war die Arbeit im Kalk-Tagebau hochgefährlich. Tödliche Unfälle waren keine Seltenheit, und der allgegenwärtige Kalkstaub schädigte langfristig die Lungen der Arbeiter, was zu schweren Atemwegserkrankungen führen konnte.

In den frühen 1970er-Jahren begann der Niedergang der Cité Blanche. Viele Arbeiter zogen weg, da sie sich nun ein eigenes Häuschen fernab des Werksgeländes leisten konnten. Gleichzeitig hatte sich der französische Sozialstaat über die Jahre so stark weiterentwickelt, dass die Arbeiter nicht mehr auf die Fürsorge der Patriarchenfamilie angewiesen waren.

Was aus der Cité Blanche in Zukunft wird, bleibt ungewiss. Mit einer gewissen Melancholie denke ich daran, dass ich eines Tages vielleicht in den Nachrichten lesen werde, dass dieser geschichtsträchtige Ort abgerissen wurde.

Unterwegs in Tournon-sur-Rhône und Tain-l’Hermitage

Tournon-sur-Rhône, eingebettet zwischen malerischen Weinbergen, ist ein bedeutendes Regionalzentrum mit einer charmanten Altstadt und einer breiten Promenade entlang der Rhône. Die Stadt lädt uns Besucher zum Flanieren ein, insbesondere an der von Platanen gesäumten Uferpromenade, die sich perfekt für entspannte Spaziergänge eignet. Hier kann man das geschäftige Treiben beobachten, während Flusskreuzfahrtschiffe an der Anlegestelle festmachen und Passagiere die Stadt erkunden.

Unterwegs in Tournon-sur-Rhône

Die Altstadt von Tournon besticht durch ihre historischen Gebäude, engen Gassen und die überdachte Markthalle, in der regelmäßig ein lebhafter Wochenmarkt stattfindet. Ein absolutes Highlight und einer der Gründe, warum Kreuzfahrtschiffe in Tournon-sur-Rhône Halt machen, ist die Museumseisenbahn Train de l’Ardèche. Diese führt von der nahegelegenen Station Saint-Jean-de-Muzols durch die beeindruckende Schlucht Gorges du Doux.

Die Strecke bietet spektakuläre Ausblicke auf die unberührte Natur, während die schmalspurige Bahn sich an steilen Felswänden entlangschlängelt und Tunnel durchquert. Leider verkehrt der Zug in der Nachsaison nur an Wochenenden, weshalb ich euch diesmal nicht auf eine Dampflokfahrt durch diese faszinierende Landschaft mitnehmen kann. Der Bahnhof Saint-Jean-de-Muzols liegt nur wenige Kilometer außerhalb von Tournon und ist bequem mit dem Auto oder Fahrrad erreichbar.

Passerelle Marc Seguin

Ein weiteres Highlight ist die Fußgänger-Hängebrücke Passerelle Marc Seguin, die Tournon mit dem gegenüberliegenden Tain-l’Hermitage verbindet. Von hier aus bietet sich ein beeindruckender Blick auf die umliegenden Weinberge und die Silhouetten beider Städte. 

Radtour entlang der Via Rhôna

Unserer Radtour am nächsten Tag hat uns auf dem Fernradweges Via Rhôna () von Tournon-sur-Rhône in das knapp 20 Kilometer entfernte Valence geführt. Die Via Rhôna führt auf 815 Kilometern vom Genfer See bis zu den französischen Mittelmeerstränden. D.h. wir hätten auch nach La Grande-Motte mit dem Drahtesel fahren können 😉 .

Theoretisch hätten wir also auch bis nach La Grande-Motte ans Mittelmeer radeln können 😉 – doch für diesen Abschnitt haben wir uns auf die idyllische Strecke zwischen Tournon und Valence beschränkt. Diese Route verläuft größtenteils auf glatten, autofreien Wegen entlang der Rhône und bietet eine entspannte Fahrt mit nur minimalen Höhenunterschieden. 

Der Radweg Via Rhôna ist gut ausgeschildert und führt größtenteils über asphaltierte Wege. Rund um Valence verläuft die Strecke jedoch teilweise entlang der Straße oder auf Radstreifen, die von französischen Autofahrern oft weniger beachtet werden als in Deutschland. Während der Fahrt entlang der Rhône verändert sich die Landschaft: Der Weinbau weicht zunehmend Obstplantagen, die den Fluss säumen und von seiner Bewässerung profitieren. Auf der Rhône selbst sind neben den Kreuzfahrtschiffen auch zahlreiche Frachtschiffe unterwegs, die den Fluss als wichtige Handelsroute nutzen.

Valence, unser Ziel, wird oft als Tor zur Provence bezeichnet und ist das wirtschaftliche und verwaltungstechnische Zentrum der Region. Die Stadt liegt am linken Ufer der Rhône und beeindruckt mit ihrer geschäftigen Innenstadt, die von eleganten, herrschaftlichen Häusern geprägt ist. Die Altstadt verzaubert mit malerischen Kopfsteinpflasterstraßen, historischen Gebäuden und charmanten Plätzen wie dem Place des Clercs, wo Cafés und Brasserien zum Verweilen einladen. Zu den Highlights zählen die romanische Kathedrale Saint-Apollinaire aus dem 11. Jahrhundert sowie die kunstvoll verzierte Maison des Têtes, ein Meisterwerk der Renaissance-Architektur. ie Innenstadt von Valence vereint so typisch französischen Charme mit einem Hauch von Eleganz. Besonders haben es mir die schönen Jugendstilfassaden angetan, die teilweise kunstvoll mit Statuen verziert sind.

Übernachtung

Wir haben auf dem Campingplatz „Le Rhône“ in Tournon-sur-Rhône übernachtet. Dieser liegt idyllisch direkt an der Mündung der Doux in die Rhône und nur wenige Gehminuten vom historischen Stadtzentrum entfernt und wurde vor ein paar Jahren umfassend renoviert. 

In Tournon gibt es zwar noch weitere Campingplätze, diese liegen jedoch nicht in Laufnähe zur Innenstadt. Alternativ bietet sich der Camping Municipal „Les Lucs“ im benachbarten Tain-l’Hermitage an, wo man ebenfalls direkt am Flussufer übernachten kann. Dort sind Reservierungen möglich, was besonders in der Hauptsaison empfehlenswert ist. Ohne rechtzeitige Buchung oder eine frühe Anreise hat man oft schlechte Karten, einen schönen Stellplatz mit Blick auf das Wasser zu ergattern.

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