Wir haben in Vilnius auf dem Vilnius City Camping übernachtet. Der Campingplatz ist bei der Messe ca. 9 km von der Innenstadt bzw. Altstadt entfernt. Habt ihr Fahrräder dabei empfiehlt es sich mit dem Rad in die Stadt zu fahren. Es gibt nämlich entlang der Neris (dem Fluss, der durch Vilnius fließt) einen schönen Radweg. Ebenfalls vom Campingplatz aus besteht die Möglichkeit, in einen Hop On-Hop Off Bus zu steigen und damit in die Innenstadt zu fahren.
Der Burgberg nördlich der Altstadt und die neoklassizistische Kathedrale St. Stanislaus sind der ideale Ausgangspunkt zum Erkunden der Stadt. Wir haben auf einem Parkplatz hinter der Burg bzw. dem Zugang zum Gediminas-Turm am Ufer der Vilnia (dem anderen Fluß in der Stadt und dem Namensgeber 🙂 ) geparkt und für die Stunde nur 60 Cent an Gebühren bezahlt. Der Parkplatz ist ein wenig versteckt zwischen den Hügeln und dem besagten Fluss. Da auf dem Parkplatz auch viele Einheimische geparkt haben würde ich ihn grundsätzlich mal als sicher und vertrauenswürdig bezeichnen.
Leider konnten wir den Burgberg (142 m) und somit auch den Gediminas-Turm nicht besuchen, da hier umfassende Erdarbeiten am Hügel in Gange waren. Der Turm ist nicht nur das Wahrzeichen der Stadt sondern auch der einzige erhaltene Eckturm der Oberen Burganlage. In der Unterburg sind das litauische Nationalmuseum, der Großfürstenpalast, das Museum für Angewandte Kunst sowie das Archäologische Museum untergebracht.
Nur einen Steinwurf von der Burg entfernt befindet sich die Kathedrale mitsamt Kirchplatz und der namensgebenden Gediminas-Statue. Gediminas war im 14. Jahrhundert Großfürst von Litauen und zählt zu „großen“ Herrschern und bezeichnete sich als „König der Litauer“. Ihr könnte beruhigt sein und müsst euch jetzt nicht als Geschichtsbanausen fühlen, auch ich (die sich einbildet nicht ganz unwissend in Punkto europäische Geschichte zu sein) habe von dem Mann zuvor noch nie etwas gehört 😉 .
Wir haben, dem tollen Wetter geschuldet, keines der Museen rund um die Kathedrale besucht. Jedoch haben wir der neoklassizistischen Kathedrale St. Stanislaus einen Besuch abgestattet. Habt ihr gewusst, dass die Kathedrale vom Papst 1985 zur Basilica minor, sprich zur „kleinere Basilika“ ernannt wurde? Dieser Ehrentitel wird nur einem besonders bedeutende Kirchengebäude verlieren. St. Stanislaus ist die Kathedrale des Erzbistums Vilnius und wurde nach Bischof Stanislaus von Krakau, einem polnischen Nationalheiligen, benannt. Um die Verwirrung, die vielleicht jetzt beim Lesen in euren Köpfen entsteht aufzulösen: Vom 16. bis 18. Jahrhundert gab es die „Königliche Republik der polnischen Krone und des Großfürstentums Litauens“, deren Staatsgebiet das heutige Polen, Litauen, Lettland und Weißrussland sowie Teile von Estland, Russland, Moldawien, Rumänien und der Ukraine umfasste – und so kam also der polnische Heilige nach Litauen 🙂 .
Die Kathedrale ist nur eine von fünf Kirchen im Bereich der mittelalterlichen Altstadt. in dieser liegen mal wieder, wie so oft im Baltikum, Schönes und Schreckliches sehr nahe beisammen. Einerseits die wunderschön restaurierten Fassaden der Häuser und andererseits das jüdische Ghetto mit seinen schmalen und verwinkelten Gässchen.
Im vorherige Beitrag hatte ich ja bereits erwähnt, dass Vilnius auch als “Jerusalem des Nordens” bezeichnet wird, da die liberale Stadt über Jahrhunderte hinweg als Zufluchtsort für verfolge Menschen des jüdischen Glaubens diente. Die Sache mit der Zuflucht hat leider in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts nicht mehr geklappt. Im Jahr 1931 betrug der Anteil der jüdischen Bevölkerung noch 28 % (ca. 55.000 Einwohner) und bei der Liquidierung des Ghettos 1943 wurden die noch lebenden 24.000 Bewohner in die umliegenden Konzentrations- und Arbeitslager deportiert. Schlendert man heute durch das Areal des ehemaligen Ghettos ist das unfassbare Leid und der Hunger der Menschen in Anbetracht der vielen Kneipen, Restaurants und kleinen Lädelchen nicht mehr wirklich greifbar und wenig vorstellbar.
In der Touristeninformation im Rathaus können jedoch auch thematische Stadtführungen, z.B. durch das „Jüdische Vilnius“, gebucht werden. Bei denen werden sicherlich ein wenig mehr Hintergrundinformationen vermittelt als wie wenn man in Eigenregie durch die Straßen läuft.
Es fällt überhaupt auf, dass die Touristikinformation sehr gut sortiert ist und der Besucher gerne (!!!) und adäquat bedient bzw. beraten wird. Hier scheinen es, dass keine „Studenten“ welche sich gerne ein paar Euro dazuverdienen möchten, an die Schalter der Touristeninformation gesetzt wurden. Wir haben bei unserem Besuch keine Stadtführung mitgemacht was hauptsächlich daran liegt, dass ich mir gerne beim erstmaligen Besuch einer Stadt einen Überblick im eigenen Tempo und nach den eigenen Befindlichkeiten „verschaffe“.
Vilnius, das auf litauisch übrigens „Wilna“ heißt, ist nämlich flächenmäßig die größte Stadt im baltischen Raum und ich würde die Altstadt fast ein wenig weitläufiger als die Tallinns einschätzen. Das kann jetzt aber auch nur ein rein subjektiver Eindruck sein, der sicherlich daraus resultiert, dass es mir in Vilnius unheimlich gut gefallen hat 🙂 .
Wir haben bei unserem Rundgang durch die Altstadt neben der Kathedrale St. Stanislaus auch noch die Kirche St. Anna besucht. Neben dem Friedhofsbesuch, den wir in Vilnius vernachlässigt hatten, bin ich ja auch einem Besuch von Kirchen nie nicht abgeneigt. Das mag einerseits architektonische, andererseits aber auch spirituelle Hintergründe haben die ich an dieser Stelle nicht wirklich komplett erörtern kann und möchte.
Auch hier steht der Glockenturm wieder als freistehendes Gebäude vor der Kirche und ist baulich nicht mit dieser verbunden. Die gotische Kirche wurde zusammen mit der umliegenden Altstadt im Jahr 1994 zum UNESCO-Weltkulturerbe erhoben und in den letzten Jahren fanden umfassende Renovierungsarbeiten statt. Das ist auch ein guter Stichpunkt – in Litauen wird gefühlt überall renoviert und gebaut. Hier in Vilnius verstärkt sich durch die Größer der Stadt natürlich der Eindruck und in den Stadtteilen rund um die Altstadt reihen sich teilweise riesen Einkaufszentren an neu gebaute Wohnblöcke. Der Spagat zwischen moderner Architektur und den neoklassizistischen und gotischen Fassaden steht der Stadt aber ausgesprochen gut und macht einen Aufenthalt mehr als abwechslungsreich und interessant.
Beim Schreiben des Artikels fällt mir auf, dass ich gar kein Foto vom Tor der Morgenröte, DEM Kultur- und Architekturdenkmal sowie Wallfahrtsort in Vilnius, gemacht haben. Asche aufs Haupt. Irgendwie erinnere ich mich das dort am Morgen sehr viele Menschen unterwegs waren und Florian von einem Heiligenbilder-Verschenkenden-Typen angelabert wurde und wir irgendwie nur noch versucht haben aus dem ganzen Moloch herauszukommen. An dieser Stelle hat man auch gemerkt das die Hauptsaison bald startet 😉 . Das Tor der Morgenröte ist ein Teil der mittelalterlichen Stadtmauer und beherbergt die „Ikone der barmherzigen Muttergottes“, welche in Litauen zu den bedeutendsten Heiligtümern zählt und als wundertätig gilt. Wobei ich an dieser Stelle mit meiner oben erwähnten Spiritualität „raus bin“. Für mich ist „Christ sein“ eine Lebenseinstellung und kein Anbeten von irgendwelchen goldenen Heiligenbildern.
Wie bereits erwähnt hat es mir in der Innenstadt Vilnius sehr gut gefallen und ich hätte so gerne unsere Räder dabei gehabt und natürlich auch gerne die Stadtviertel rund um die Altstadt erkundet. Aber für einen ersten Besuch haben wir viele Eindrücke sammel können und Vilnius, das übrigens von Lonely Planet zu einem der „heißesten“ Reiseziele in Europa gekürt wurde 🙂 , ist ja noch nicht die letzte Etappe auf unserer Reise durch das Baltikum.