In einem vorherigen Beitrag hatten wir bereits die Woiwodschaft Westpommern und die Insel Wolin besucht. Nun richten wir unseren Blick in Richtung der weißrussischen Grenze und erkunden zwei der vier Nationalparks in der Woiwodschaft Podlachien.
Bevor wir jedoch die Wanderstiefel schnüren oder das Kajak auspacken, möchte ich euch eine typische polnische Tradition vorstellen:
Wir waren das erste Mal nämlich erst erschrocken, als es im Radio kurz vor den 12 Uhr Nachrichten komplett still wurde und anschließend ein Trompetenspiel zu hören war. Dieses nennt sich Hejnał und hat seine Wurzeln im Mittelalter. Dort spielte es eine wichtige Rolle als Signal für das Öffnen und Schließen der Stadttore sowie als Alarm bei Gefahr.
Die Legende besagt auch, dass der Hejnał von einem Wächter gespielt wurde, der während des Angriffs der Tataren in Krakau von einem Pfeil getroffen wurde und dennoch die Melodie weiterspielte, bevor er sein Leben verlor. Aus Respekt vor diesem Mut und um an diesen tragischen Moment zu erinnern, endet die Melodie auch sehr abrupt, was uns beim erstmaligen Hören noch mehr verwirrt hatte. Wenn ihr den Hejnał live hören möchtet, müsst ihr den Krakauer Marktplatz besuchen. Vom Turm der Marienkirche wird er auch heute noch täglich geblasen.
Gerade im ländlichen Polen spielen – und ich denke, das ist ja auch bei uns in Deutschland ähnlich – Traditionen eine größere Rolle als in den Ballungszentren. Die Verbundenheit und Wertschätzung für die Traditionen und die Geschichte des jeweiligen Ortes sind stärker ausgeprägt und werden oft im Rahmen von lokalen Festen und Feierlichkeiten zelebriert.
Unterwegs entlang des polnischen Amazonas
Das Biebrza-Flusstal liegt rund 50 Kilometer nördlich von Białystok und wurde erst 1993 zum Nationalpark erklärt. Mit knapp 600 km² ist es der größte Nationalpark des Landes mit einem vielfältigen Ökosysteme. Nur ein Viertel des Biebrzański Park Narodowy ist bewaldet, die anderen Teile sind geprägt von dem namensgebenden mäandernden Fluss, der durch die stetigen Überschwemmungen im Frühjahr in eine Sumpflandschaft eingebettet ist.
Der Nationalpark umfasst eine Fläche von mehr als 592 Quadratkilometern, darunter Feucht- und Trockenwiesen, Moor- und Sumpfgebiete sowie Flussläufe und Wälder. Diese einzigartige Landschaft bietet Lebensraum für eine Vielzahl von seltenen Pflanzen- und Tierarten, darunter viele bedrohte Arten wie der Elch, der Europäische Biber, der Fischotter und der Seeadler.
Die Region um Goniądz gehörte lange zum russischen Zarenreich, und die alte zaristische Festung von Osowiec war von September 1914 bis Februar 1915 bei den Schlachten um Ostpreußen hart umkämpft, bis sie dann im August 1915 nach einem Gasangriff von den Deutschen eingenommen wurde.
Im Fort I der Twierdza Osowiec ist ein Museum untergebracht, das die Geschichte der Region und die Schlacht aufzeigt. Der Besuch ist aber nur im Rahmen einer Führung möglich, da die Anlage noch heute militärisch genutzt wird. Das Fort IV kann jedoch im Rahmen einer kurzen Wanderung als Ruinen im Nationalpark besichtigt werden. Hier kann am Parking Carska Droga das Auto abgestellt.
Bitte passt auf, das Gelände ist unwegsam und durch die verfallenen und teils gesprengten Befestigungsanlagen einsturzgefährdet. Neben Wanderungen könnt ihr den Park auch auf dem Wasserweg oder auch per Fahrrad erkunden. Eine der Paddelrouten beginnt z.B. an der Bootsstation in Lipsk. Hier kann auch eine Erlaubnis für das Befahren des Biebrza erworben werden. Durch den Park führt der Green-Velo-Fernradweg, der mit fast 2000 Kilometern Länge zu den längsten Radwegen des Landes zählt.
Unterwegs in Europas letztem Flachlandurwald
Der Białowieża Nationalpark liegt 80 Kilometer südlich von Białystok im äußersten Osten Polens, unweit der Grenze zu Weißrussland, und gilt als letzter Urwald Europas. Der Nationalpark wurde bereits im Jahr 1932 gegründet und zählt so zu den ältesten in Europa. Das Wahrzeichen ist der Żubr, der europäische Wisent. Diese gilt als größtes und schwerstes Landsäugetier in Europa und männliche Tiere können bis zu einer Tonne auf die Waage bringen. Das Wisent wurde Anfang der 20er Jahre komplett ausgerottet, und bis auf ein paar dutzende Exemplare in den Zoos war die Art quasi ausgestorben bzw. vom Aussterben bedroht. Ab den späten 50er Jahren konnten dank der erfolgreichen Nachzucht wieder Tiere im Wald von Białowieża ausgewildert werden. Heute schätzt man die Population auf rund 450 Tiere, die in einem Schutzgebiet leben, welches nur mit einem Ranger und per geführten Touren besucht werden darf.
Infos zu den Touren bekommt ihr im Nationalparkzentrum in Białowieża. Nur ein kleiner Teil des Parkgebietes von rund 200 km² befindet sich übrigens auf polnischem Staatsgebiet. Große Teile des Białowieski Park Narodowy (rund 1.771 km²) sind auf weißrussischer Gemarkung und somit durch die geltende Visa-Bestimmungen um einiges schwieriger für europäische Besucher zu erreichen.
Die touristische Infrastruktur in Białowieża ist sehr gut ausgebaut und ich kann euch zum Übernachten das House of the Stork empfehlen. Der Besitzer ist sehr gastfreundlich und wir hatten unser Zelt im großzügig und liebevoll angelegten Garten aufgestellt. Neben dem gut ausgestatteten Campingplatz gibt es auch noch Gästezimmer.
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