Das ehemalige Vernichtungslager Treblinka befindet sich etwa 100 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Warschau und gehört meiner Ansicht nach zu den vergessenen Gedenkstätten des Holocausts. Wenn es um dieses dunkle Kapitel der Geschichte geht, spricht die Welt oft von Auschwitz, das ebenfalls in Polen liegt, genauer gesagt in Schlesien, und den dort verübten Massenmorden. Dass hier, unweit des namensgebenden Dorfes mit weniger als 300 Einwohnern, zwischen Juli 1942 und Oktober 1943 schätzungsweise auch 1,1 Millionen Menschen ihren Tod fanden, ist jedoch den Wenigsten bekannt. Dieses Lager war Teil der sogenannten Aktion Reinhardt, einem Plan zur systematischen Ermordung von Juden in Polen.
Umso eindrücklicher ist es dann, wenn man als einziger Besucher der Gedenkstätte auf einem zig Hektar großen Gelände unterwegs ist und nur das Rauschen der Blätter und das Zirpen der Heuschrecken zu hören sind. Die Überreste des Steinbruchs und einige Betonfundamente von Baracken sind neben der Black Road die einzigen Zeitzeugen aus vergangenen Tagen.
Wären entlang der Schwarzen Straße, die knapp 3 Kilometer durch den Wald verläuft und das Vernichtungslager mit dem Arbeitslager und der Erschießungsstätte verbindet, nicht ein paar Hinweistafeln aufgestellt, könnte man auch meinen, man befände sich auf einem Spaziergang durch den Wald.
Dass sich unter unseren Füßen eine Straße befindet, die in tagelanger Arbeit von zahllosen Menschen unter Einsatz ihres Lebens erbaut wurde, ist dabei einfach unvorstellbar. Denn diejenigen, die nicht sofort ermordet wurden, mussten nicht nur hier auf dem Lagergelände Zwangsarbeit leisten, bevor auch sie schließlich getötet wurden. Die SS-Männer und ukrainischen Wachmänner, die das Lager betrieben, waren zudem berüchtigt für ihre Grausamkeit und Brutalität gegenüber den überwiegend jüdischen Häftlingen.
Im August 1943 brach ein Aufstand der Häftlinge aus, der zu einer vorübergehenden Schließung des Lagers führte. Die meisten der Überlebenden wurden jedoch später gefangen genommen und getötet. Im Oktober 1943 wurde das Lager schließlich auf Befehl der SS vollständig zerstört, um alle Spuren der Verbrechen zu beseitigen.
Auf dem Gelände des Vernichtungslagers bildet heute ein imposanter Skulpturenpark mit stilisierten Bahnschwellen aus Beton einen krassen Kontrast zu den grünen Wiesen und der überbordenden Natur, die sich über die Jahrzehnte hinweg das Gelände fast komplett zurückerobert hat. Am Parkplatz der Gedenkstätte informiert eine Ausstellung im Verwaltungsgebäude über die Geschichte des deutschen Vernichtungslagers. Die Ausstellung im Museum Walki i Męczeństwa w Treblince ist dabei vom Umfang her eher an ein Regionalmuseum angelehnt und so nicht vergleichbar mit anderen Gedenkstätten wie beispielsweise in Mauthausen oder Dachau.
Ich möchte unseren Besuch mit einem für mich sehr bewegenden Moment abschließen: Bevor wir weitergefahren sind, haben wir noch kurz im Auto gesessen und etwas getrunken. Dabei ist mir ein gelb-oranger Schmetterling auf den Finger geflogen und einfach sitzen geblieben. Ich war so verdutzt, dass ich erst gar nicht wusste, was los ist, und versuchte, das Tierchen in die Freiheit zu entlassen. Vergebens, erst nach einigen Minuten flog es ausgeruht weiter. Ein solcher versöhnlicher Moment an einem so unvorstellbar schrecklichen Ort ist für mich ein Fingerzeig, und ich denke, in jedem Lebewesen wohnt eine Seele inne. Das ist für mich ein Schimmer der Hoffnung in unserer Welt.
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