Auf dem Weg nach Tallinn hatten wir ja bereits den Matsalu National Park besucht und ein paar Eindrücke hatte ich ja schon im Beitrag Auf der Via Baltica nach Tallinn mit euch geteilt. In Estland gibt es fünf Nationalparks, die fast ein Fünftel der Landesfläche ausmachen und wie auch anderorts die Flora und Fauna unter einen besonderen Schutz stellen. In den Parks darf nur auf ausgewiesenen Plätzen gezeltet bzw. gecampt werden. Das sind einerseits kommerzielle Campingplätze und andererseits die ebenfalls bereits von mir erwähnten RMK Campingplätze des estnischen Forstservices.
Diese sind für Zelte uneingeschränkt geeignet, mit dem Campingmobil kann es teilweise schwierig werden, da als Zufahrten oft nur sehr schmale Wege mit einem starken Überhang an Äste dienen. Auch sind die Zufahrts- und Nebenstraßen nicht geteert und haben manchem eher einen „Waldweg-Charakter“. Leider durfte man während unserem Aufenthalt auf den Zeltplätzen kein Feuer machen. Es war die letzten Wochen einfach zu heiß in Estland und die Waldbrandgefahr wäre bei einem offenen Lagerfeuer im Wald einfach zu hoch. Generell gehört neben einer Trockentoilette (einem „Plumsklo“) und dem Grill aber immer Feuerholz zur Standardausstattung der Plätze.
Auch wenn wir nicht alle National Parks besuchen konnten werde ich euch im Folgenden alle fünf kurz vorstellen. Anders als in den USA oder in Kanada kosten die National Parks in Estland keinen Eintritt. Jeder Nationalpark hat zwar mindestens ein Besucherzentrum, welches jetzt aber in der absoluten Vorsaison nicht immer geöffnet hatte. Sowas hatte ich mir schon im Vorfeld gedacht und habe daher immer in den Touristikinformationen größerer bzw. sich in der Nähe befindenden Städte nach Infomaterial Ausschau gehalten bzw. explizit nach Kartenmaterial gefragt.
Vilsandi National Park
Der Vilsandi National Park besteht aus über 100 kleinen Inselchen und ist über die größte estnische Insel Saaremaa erreichbar. Euren Aufenthalt im National Park könnt ihr natürlich über das Internet (hier geht’s zur Homepage National Parks) oder auch vor Ort über den Infopunkt des RMK im Örtchen Loona planen. Dort gibt es Kartenmaterial und auch Infos für Touren und Übernachtungsmöglichkeiten.
Die größte und interessanteste Insel im Park, mit einem schönen Leuchtturm und (bei nur 30 Einwohnern) mit viel Einsamkeit 😉 , ist Vilsandi. Der Park wurde als Naturschutzgebiet bereits 1910 gegründet und erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Zerfall der Sowjetunion als National Park deklariert. Teile des Parks, wie Seehundbänke und Laichgebietet für Fische sind nur per Boot zu erreichen. Andere Teile wie die Strandlandschaften können erwandert werden.
Matsalu National Park
Der National Park befindet sich auf dem estnischen Festland und ist gut mit dem Auto erreichbar. Es scheint hier ein gut ausgebautes öffentliches Transportsystem zu geben da es selbst im Wald unzählige Bushaltestellen mit jeweils einem Bänkchen gibt. Da aber die meisten nicht estnischen Besucher wie wir, mit dem Auto anreisen habe ich mich nicht über die Busverbindungen, Abfahrtszeiten und ob man hier mit Englisch durchkommt informiert. Ich denke aber, dass man bei einem längeren Aufenthalt diese und weitere Infos vor Ort im Zentrum des Parks, knapp 30 Kilometer südöstlich von Haapsalu, im Örtchen Penijõe einholen kann.
Der Park umfasst auf 486 km² die Bucht von Matsalu inklusive der umliegenden Landgebiete, sowie das Seegebiet Väinameri mit über 50 Inseln. Der Park ist mit seinen Beobachtungstürmen ganz für die Beobachtung von Vögeln ausgelegt, von denen über 275 verschiedene Arten heimisch sind. Ich habe es ja normal nicht so mit Vögeln bzw. deren Beobachtung, trotzdem war ich ganz begeistert als wir einige Schwalbenbabys in ihren Nestern beobachten konnten.
Hier fand ich Estland auch nochmals ein Stückchen ländlicher – auch wenn ich das fast nicht für Möglich gehalten hätte 😉 . Wir haben das malerische Örtchen Puise mit einem kleinen Hafen besucht und waren in Matsalu und in Äärenurga im Sumpfgebiet ein wenig wandern. Die Wanderwege sind sehr gut ausgeschildert und am Wegesrand befinden sich oftmals Hinweistafeln mit z.B. der Geschichte eines Ortes oder Infos zur Pflanzen- und Tierwelt. Hier geht’s übrigens zur Homepage des National Parks.
Soomaa National Park
Der Soomaa National Park der Jüngste National Park in Estland und wurde erst in den 90er gegründet. Ohne direkten Zugang zum Meer umfasst der Park ein 370 km² großes Sumpf- und Moorgebiet. Das Besucherzentrum ist im Örtchen Tipu untergebracht und die nächstgrößere Stadt ist das Seebad Pärnu.
Auf der Homepage findet ihr Kartenmaterial und weitere Infos zum Park, der sich am besten mit einem Kajak oder einem Kanu erkunden lässt. Wenn ihr im Sommer oder Herbst unterwegs seit empfehle ich euch, vor allem wegen der Lage, einen guten Mückenschutz mitzunehmen 😉 . Leider kann ich euch keine persönlichen Eindrücke liefern, da wir den Park aus zeitlichen Gründen nicht besucht haben.
Lahemaa National Park
Ich muss ja sagen, dass es mir im Lahemaa National Park am besten gefallen hat. Das mag vielleicht auch dran liegen, dass meine Abenteurer-Natur ein wenig geweckt wurde. Der Park ist nur eine Stunde Autofahrt von Tallinn entfernt und ebenfalls gut mit dem Auto erreichbar. Wir haben direkt im National Park leider nicht auf einem RMK Campingplatz übernachtet. Wir wollten nämlich mal duschen 😉 und sind daher auf dem kommerziellen Lepispea Camping & Caravan gelandet. Der Park war bei seiner Gründung 1971 der erste National Park der Sowjetunion und eignet sich toll als Ausflugsziel u.a. auch mit dem Rad. Wir sind einigen Radwanderen begegnet die schwer bepackt durch die Landschaft gestrampelt sind. Im Park gibt es zwei Besucherzentren, eines in Palmse und das Andere im Örtchen Oandu.
Entlang der Küste, aber auch im Landesinneren, stößt man immer mal wieder auf tonnenschwere Findlinge. Das sind riesige Steine die in der Eiszeit durch die damaligen Gletscher transportiert wurden. Einer der Größten liegt an der Spitze von Kap Pärispea und ist über eine schöne Wanderung am Strand entlang erreichbar. Eine Übersicht aller Wanderwege findet ihr auf der Homepage des National Parks.
Der Park ist geprägt von vier Halbinseln die teils eine militärische Geschichte vorzuweisen haben. Historisch gesehen ist vor allem das Kap Juminda interessant. Dieses war zu Zeiten der UdSSR militärisches Sperrgebiet und Station für ein Dutzend RSD-10 Pioner (SS-20 Saber) Mittelstreckenraketen mit Atomsprengköpfen. Wir haben uns ein wenig in den Wäldern „umgesehen“ und sind auf alte Fabrikhallen, diverse Bunker und einige Fahrzeughangar gestoßen. Ich muss ja gestehen, dass es zum Teil schon sehr gruselig war in den zerfallen Gebäuden herumstöbern, vor allem wenn man Kalaschnikow Munition auf dem Boden findet. Zwar hat es sich hier nur um Platzpatronen gehandelt, aber trotzdem hatte ich noch nie 7,62 mm Patronen in den Händen und werde es wohl so schnell auch nicht mehr haben 😉 .
Irgendwie auch krass, dass die Gebäude einfach so von der Armee zurückgelassen wurden und jetzt, trotzdem das sie halb überwuchert sind, einen sehr starken Kontrast zur ansonsten unberührten Natur bilden. Durch die Stille, die nur durch das Rauschen der Baumwipfel und dem Singen der Vögle unterbrochen wird, werden die leerstehenden Gebäude nochmals in ein ganz anderes Stimmungslicht getaucht.
Karula National Park
Fährt man durch den Karula National Park denkt man ein bisschen man sei im Allgäu unterwegs. Inmitten von grünen Hügeln liegt malerisch der See Ähijärv an dessen Ufer man auf ausgeschilderten Wegen Wandern und auch Radfahren kann. Ich schreibe zwar, dass man sich rein von der landschaftlichen Idylle mit Wäldern, Kuhweiden und blühenden Wiesen eher im Allgäu befindet, in Punkto Höhenlage darf man sich jedoch keiner Illusion hingeben: die höchste Erhebung ist der Rebasejärve Tornimägi mit einer Höhe von 137 Metern 😉 .
Der Park, von dessen Fläche 70% bewaldet sind, ist seit den 70er Jahren Naturschutzgebiet und wurde auch erst nach dem Zerfall der Sowjetunion zum National Park umformiert. Am Besucherzentrum in Ähijärv befindet sich auf einer Anhöhe zudem ein wunderschöner RMK Campinglatz.
Wenn ihr euch im Vorfeld Kartenmaterial herunterladen wollt könnt ihr das hier auf der offiziellen Seite des Parks tun. Vom National Park aus sind es auch nur noch ca. 35 Kilometer zur lettischen Grenze.
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